Gallus, der Fremde
Seit über zwanzig Jahren haust Gallus in der Wildnis des Steinachtals, als eines Tages eine Fremde erscheint. Mit ihren Fragen zwingt sie den widerspenstigen Einsiedler, sich an seine Vergangenheit zu erinnern: an den gefahrvollen Weg, der ihn um 590 n. Chr. mit einer Gruppe von Wandermönchen aus Irland in die Vogesen und dann an den Bodensee geführt hat, an ihre gewaltsamen Bekehrungsversuche und vor allem an die Trennung von seinem strengen Lehrer und Gefährten Columbanus.
Die Geschichte des freiwilligen Exilanten und sozialen Aussteigers aus dem frühen siebten Jahrhundert, der zum Namensstifter St. Gallens wurde, findet ihren Widerhall im Leben der Fremden am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, die in Irland eine Heimat fand und wieder verlor. Ihre Schicksale verbinden sich über die Zeit hinweg zu einer Geschichte von Emigration, Liebe und Verlust.
Details
- Herausgeber: Lenos
- Erscheinungstermin: 14.09.2018
- Hardcover: 246 Seiten
- ISBN: 978-3-85787-489-5
Rezensionen
Alioth arbeitet sorgfältig und kritisch mit den vorhandenen Quellen. Bewusst schafft sie keine neue Legende um den eigenwilligen Gallus (…) Man darf mit ihr spekulieren.
Der Roman rundet das neue Schrifttum um Gallus ab, weil er einen neuen Ansatz aufweist. (…) Klar ist das Werk keine Biografie, die es wegen der fehlenden Urkunden und der Fragwürdigkeit verschiedener Legenden eigentlich nie gegeben hat und nie geben wird. Es ist ein Roman, der aber die vielfältigen Probleme aufzeigt, die der soziale Aussteiger auf seiner abenteuerlichen Reise in jener turbulenten und auch von Aberglauben geprägten Zeit wahrscheinlich zu bewältigen hatte.
In der Begegnung der Fremden mit Gallus entsteht ein Zusammentreffen von Vergangenheit und Gegenwart, stellenweise auch Wirklichkeit und Traum. Es ist ein Oszillieren zwischen Gedanken, zwischen Figuren. Das kulturelle Gedächtnis über das Leben von Gallus wird angetastet und bruchstückhaft erzählt, mit Details angereichert. Ebenso bruchstückhaft ist die Erinnerung der Ich-Erzählerin. Das kommunikative Gedächtnis in Bezug auf ihre persönliche Vergangenheit bleibt fragmentarisch.
Die ineinander geschachtelte Erzählstruktur ist ebenso eine Herausforderung an den Lesenden wie klug konzipiertes Konstrukt der Autorin. Vormittelalterliche Vergangenheit und erlebte Gegenwart mischen sich unweigerlich wie in einem Traum. (…) Unterbrochen wird das Bild – eine narrative pictura – oft von einer zu den vielfältigen Symbolen passende, narrative subscriptio, die sich in Form von Bibelsprüchen, liturgischen Worten, Gebetsphrasen und philosophischen Weisheit manifestiert. Hetero- und homosexuelle Anspielungen und lustvolle Szenen haben ebenso Platz in den verschlungenen Geschichten wie schreckliche Züchtigungen, Aberglaube und Mord.
… wie die Protagonistin und ihre Wahrnehmung geschildert wird, sprach mich sehr an. Vor allem dieser magische Moment, als sie weiss, dass sie ganz bei sich ist, hat es mir angetan. „… eine Gleichmut erfasste mich, die auch blieb, als das Wasser versickerte und den Unrat und die Zerstörung enthüllte. Demut nannte es Michael.“ Und, an anderer Stelle, mein Lieblingssatz: „Demut musste auch eine Form von Freiheit sein.“
Der Roman lebt von seiner Hauptfigur, diesem sperrigen Gallus, der sich nicht recht fassen lassen will und überzeugt gerade auch dadurch, durch diesen Gallus, der einem fremd bleibt, aber trotzdem ans Herz wächst.